Quelle: Südwestpresse/Ehinher-Tagblatt
Eine neue Chance für alle
Rolf Braun beim SWP-Interview im Jahr 1989. Archivfoto
Der Handballsport in Ehingen ist jahrelang von Rolf Braun mitgeprägt worden. Er hat 1966 im Alter von elf Jahren bei der TSG angefangen, Handball zu spielen. 1986 hatte Braun die Idee zum Schlecker-Cup.
Rolf Braun hat seine aktive Laufbahn als Handballer 1986 mit 32 Jahren beendet. Eine offizielle Funktion habe er nie angestrebt und nie inne gehabt, sagt er. Gleichwohl hatte er die Idee, den Handballsport in Ehingen auf einer professionellen Ebene zu etablieren und darüber hinaus mit dem Schlecker-Cup ein Spitzenturnier in Ehingen einzurichten. Was aus seiner Sicht daraus geworden ist, erläutert Rolf Braun in einem Interview mit der SÜDWEST PRESSE.
Herr Braun, wie war das damals mit dem Schlecker-Cup?
ROLF BRAUN. Die Idee zu dem Turnier hatte ich Ende 1986 und zwar wirklich aus einer Biertischlaune heraus im "Adler". Großspurig habe ich nach ein paar Bier verkündet, dass wir innerhalb von drei Jahren in Ehingen das bestbesetzte Handballturnier in Europa haben würden. Das Problem war nur: ich hatte keine Ahnung, keine Mannschaften und kein Geld. Also habe ich ein Konzept erstellt und danach die Ehinger Geschäftswelt abgeklappert und nach Sponsoren gesucht. Außer einem mitleidigen Lächeln konnte ich keine Erfolge verzeichnen. Es handelte sich um einen Betrag von 2000 Mark für das erste Turnier. Anfragen bei der Stadt und beim Gesamtverein der TSG Ehingen wurden mangels Erfolgsaussichten negativ beschieden. Also habe ich in meiner Verzweiflung die Firma Schlecker angeschrieben, ohne jemals damit zu rechnen, eine Antwort zu erhalten. Aber die Antwort kam, nicht von Uwe Blank, denn den gabs noch nicht bei Schlecker, sondern von Gerhard Sauter. Meine Idee und mein Konzept gefielen ihm. Auf seine Frage, was ich denn zu bieten hätte, bot ich der Firma Schlecker die Namensgebung des Turniers an. Auch das gefiel Herrn Sauter. So ist der Schlecker-Cup entstanden. Mit Alfred Dittrich, Rudolf Bieger und Wilfried Kneer hatte ich dann auch Mitstreiter, ohne deren Hilfe alles nicht möglich gewesen wäre. Der damalige Abteilungsleiter der Ehinger Handballer distanzierte sich von unserem Tun, wollte er doch erst einmal abwarten, wie sich das entwickelt. Das nächste Problem stellte sich dann, als es darum ging, Verträge zu unterzeichnen. Offiziell war die Handballabteilung Veranstalter, aber aus Haftungsgründen wollte weder die Handballabteilung noch der TSG-Gesamtverein die Verträge mit den Mannschaften, Hotels und Sponsoren unterzeichnen. Also, was tun? Hinschmeißen? Nein, dazu war die Idee zu gut. So habe ich persönlich alle Verträge gemacht und auch das Risiko getragen. Mit SKA Minsk war es immerhin ein Vertrag über 20000 Mark. Die Überschüsse aus dem Turnier sind jedoch in die Kasse der Handballabteilung geflossen. Bei einem etwaigen Minus hätte jedoch ich persönlich gehaftet. Spätestens 1990 war das Turnier etabliert und von der handballerischen Qualität nicht mehr zu toppen. Die Stadt Ehingen, der TSG-Gesamtverein und die Handballabteilung erkannten plötzlich, dass es schick war, mit dem Turnier in Verbindung gebracht zu werden. Gleichzeitig hatte ich vom damaligen Macher der SG Wallau-Massenheim, Bodo Stroehmann, erfahren, dass er einen Förderverein gegründet hatte. Die Idee fand ich gut und habe dann auch in Ehingen den Handball-Förderverein gegründet, der zukünftig auch als Veranstalter des Turnieres auftrat und immer noch auftritt. Von der Gründung des Fördervereins hatte ich mir auch eine Arbeitsentlastung versprochen. Ich habe dem Turnier Arbeitsbereiche zugeordnet und diese wiederum den Mitgliedern des Fördervereins. Die Idee war gut, aber leider hat sie nicht funktioniert, denn es waren einfach zu viele Mitglieder im Förderverein, die sich in keiner Weise einbrachten, jedoch die Mitgliedschaft in der Außenwirkung gut gebrauchen konnten. Bei Schlecker hatte inzwischen Uwe Blank als Marketingmann den Schlecker-Cup übernommen. Zwischen ihm und mir krachte es häufig im Gebälk. Uwe Blank war ein bekennender Nichthandballer. Er sagte: "Die Veranstaltung ist gut, schade nur, dass dort auch Handball gespielt wird." Blank krempelte das Turnier in eine Werbeveranstaltung der Firma Schlecker um und war sicherlich froh, als ich Ehingen in Richtung SG Stuttgart-Scharnhausen verlassen habe. Schon 1989 habe ich mir Gedanken darüber gemacht, dass es eigentlich sinnlos ist, einen solchen Aufwand im Ehrenamt zu betreiben, wenn nicht eine sportliche Zielsetzung vorhanden ist. Mein Versuch, mit der Verpflichtung von Gottfried Zeiler und Frank Schwaibold als Trainergespann und dem ehemaligen ungarischen Nationalspieler Karoly Pardi die Handballer der TSG sportlich nach vorne zu bringen, ist kläglich gescheitert. Meine Interventionen bei der Abteilungsleitung der Handballer, endlich Farbe zu bekennen, ob man Friede-Freude-Eierkuchen-Handball oder leistungsbezogenen Breitensport wolle, blieben ungehört. Man wollte es in der Abteilungsführung halt immer allen recht machen, überall beliebt und bequem sein und vor allem keinem auf die Füße treten. Das waren auch die Gründe dafür, dass ich 1991 das Angebot der SG Stuttgart-Scharnhausen als Manager in der Bundesliga angenommen habe.
Sie verfolgen das Geschehen bei der TSG Ehingen. Woran klemmt es Ihrer Ansicht nach?
BRAUN: Es klemmt daran, dass sich in 25 Jahren beim Ehinger Handball nichts verändert hat. Personen wurden in der Vereinsführung ausgetauscht, aber nicht der Typus. Es fehlen die Verrückten, die Handballbesessenen, die, die ihre Interessen dem Ziel unterordnen, die, die weitermachen, wenns weh tut. Aber da ist Ehingen kein Einzelfall. 2009 habe ich in Lüneburg noch ein Turnier zugunsten der Kinder von Tschernobyl ins Leben gerufen. Ohne Hauptsponsor haben wir einen Überschuss von 20 000 Euro erwirtschaftet. 2010 und 2011 hat der MTV Treubund Lüneburg das Turnier alleine ausgerichtet. Wie ich jetzt dem Internet entnehmen konnte, gibt es keine weiteren Veranstaltung dort, da 2010 und 2011 rote Zahlen geschrieben wurden.
Braucht die TSG ein neues Konzept und wenn ja, was für eins?
BRAUN: Bevor der Ehinger Handball ein Konzept braucht, muss er überdenken, wo er hin will und ob er die geeigneten Personen zum Erreichen der Ziele hat. Am einfachsten ist es natürlich, sich keine Ziele zu setzen, dann haben wir es wieder Friede, Freude, Eierkuchen.
Hat der Handballsport in Ehingen noch eine Zukunft?
BRAUN: Ich bezweifle stark, dass sich beim Ehinger Handball etwas zum Positiven wendet. Gerade jetzt nach der Insolvenz von Schlecker muss sich der Förderverein und die Handballabteilung neu entdecken. Es war alles zu einfach in den letzten 20 Jahren. Das "Backoffice" des Turniers war nicht der Förderverein, sondern die Firma Schlecker. Ich hatte schon in einem Interview der SWP 1992 prognostiziert, dass der Ehinger Handball keine Zukunft hat und ich kann nicht erkennen, dass sich etwas verändert hat.
Wie sieht es mit dem Schlecker-Cup im kommenden August aus? Wird er Einbußen hinnehmen müssen?
BRAUN: Ob es zu Einbußen kommt, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Sportlich kann Andi Wax das Niveau sicherlich halten. Er hat einen hervorragenden Ruf in der Handballszene. Aus finanzieller Sicht ist jetzt der Förderverein gefordert. In der Vergangenheit lagen die Vermarktungsrechte doch ausschließlich bei Schlecker und der Förderverein wurde von Schlecker pauschal abgefunden. Schlecker wiederum hat das Turnier über seine Lieferanten refinanziert. Schlecker musste für das Turnier nie eine müde Mark selbst aufbringen, er überließ dies seinen Lieferanten. Für Schlecker war das Turnier über 25 Jahre eine von seinen Lieferanten bezahlte Imagekampagne. Also eine so genannte Win-Win-Situation für Schlecker und den Förderverein. Der Förderverein hatte keine Arbeit und Schlecker eine kostenlose Imagewerbung. Da hat das Unternehmen auch kein Problem damit gehabt, den Förderverein zu großzügigen Vereinsausflügen einzuladen.
Wie könnte es mit dem internationalen Turnier weitergehen, falls Schlecker im nächsten Jahr komplett aussteigt?
BRAUN: Ich gehe davon aus, dass Schlecker aussteigen muss. Schon allein aus rechtlichen Gründen ist es wohl nicht möglich, als insolventes Unternehmen als Sponsor aufzutreten. Wie bereits erwähnt, muss sich der Förderverein neu entdecken. Ob er sich zutraut, das Turnier aus eigener Kraft zu stemmen, kann ich nicht sagen, da mir die Personen größtenteils unbekannt sind. Jedoch halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass der Förderverein das Turnier ohne Schlecker ausrichten wird. Der Förderverein war schon immer träge und ist im Laufe der Jahre eher noch träger geworden. Sehen wir Mal von Andi Wax ab, sehe ich keinen Macher im Förderverein.
Was passiert mit dem Geld, das die Handballabteilung vom Schlecker-Cup bekommt?
BRAUN: Eine Frage, die ich mir seit 20 Jahren stelle, und auf die ich keine Antwort finde. Bei einem sporttreibenden Verein müsste man ja davon ausgehen, dass das Geld in leistungsfördernde Maßnahmen investiert wird. Als ich Ehingen den Rücken gekehrt habe, spielten die Herren in der Verbandsliga und jetzt gegen den Abstieg aus der Landesliga. Irgend etwas kann ja nicht stimmen. Um welche jährlichen Zuwendungen es sich handelt oder gehandelt hat, kann ich nicht detailliert sagen. Geht man jedoch davon aus, dass der Trainer bezahlt wird und immer ein oder zwei rumänische Vollprofis in Ehingen spielen, dürften sicherlich etwa 50000 Euro jährlich erforderlich gewesen sein. Hinzu kommt noch, dass die Spieler Punkteprämien erhalten, was in diesen Spielklassen absolut hirnrissig ist.
Braucht die TSG dann den Förderverein überhaupt noch? Was soll damit geschehen?
BRAUN: Ob die TSG Ehingen den Förderverein noch braucht, ist abhängig von der Abteilungsführung und der Zielsetzung der Handballabteilung. Sollte der Förderverein jedoch nicht mehr in der Lage sein, die Handballabteilung zu fördern - ob die Abteilung das auch umsetzt, ist eine andere Frage - so ist er überflüssig. Ein Ausstieg Schleckers ist sicherlich eine schwierige Sache für den Förderverein, jedoch auch eine neue Chance für all diejenigen, die sich ins gemachte Nest gesetzt haben, zu zeigen, was sie draufhaben. Dazu zählt nicht nur der Förderverein, sondern auch die Stadt Ehingen. Will sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen, nur Trittbrettfahrer gewesen zu sein, findet sie sicherlich Mittel und Wege, das Turnier am Leben zu erhalten.
Gibt es Leute, denen Sie zutrauen, dem Handballsport in Ehingen wieder auf die Sprünge zu verhelfen?
BRAUN: Nein.