Bericht der Nürtinger Zeitung
Dienstag, den 07. Mai 2013 um 21:09 Uhr
Dank Opreas Schachzug an der Sensation geschnuppert
06.05.2013, Von Jens S. Vöhringer
Handball-Württembergliga, Aufstiegsrelegation: TSV Zizishausen – TV Flein 33:28
Zizishäuser egalisieren zwischenzeitlich den Elf-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel, dann geht ihnen aber die Kraft aus
In einer atemberaubenden Partie schnupperten die Handballer des TSV Zizishausen am Samstagabend an der Sensation. Doch die Elf-Tore-Hypothek aus dem Relegations-Hinspiel beim TV Flein war letztlich doch etwas zu hoch, um vor 600 Zuschauern in der Theodor-Eisenlohr-Halle die Wende zu schaffen. Und so mussten sich die am Ende kraftlosen „Schnaken“ mit einem 33:28 (14:11)-Erfolg aus der Saison verabschieden.
Der entscheidende Faktor für die Aufholjagd: Zizishausens umfunktionierter Kreisläufer Tobias Klenner mit Leible. Foto: Balz
Vasile Oprea ist immer für eine Überraschung gut. Für das Spiel gegen den TV Flein hatte sich der Trainerfuchs des TSV Zizishausen mal wieder etwas ganz Besonderes ausgedacht. Das funktionierte so gut, dass seine Truppe im Rückspiel der ersten Relegationsrunde Richtung Baden-Württemberg-Oberliga beinahe das Unmögliche noch möglich gemacht hätte. Die deutliche 25:36-Pleite des ersten Aufeinandertreffens hatten die TSVler beim 29:18 in der 46. Minute egalisiert. Und damit Opreas Worten vor der Partie eindrucksvoll Nachhall verliehen. „Wir schreiben heute Geschichte“, hatte der 56-Jährige Minuten vor Spielbeginn verlauten lassen. Dass sein Optimismus nicht unbegründet war, machten seine Spieler dann auf dem Feld deutlich. Auch die waren von ihrem Trainer in der Kabine mit der Maßnahme überrascht worden, die fast für die kaum für möglich geglaubte Wende gesorgt hätte.
„Wir mussten volles Risiko gehen“ Zizishausens Trainer Vasile Oprea
Erst Momente vor dem Start ließ sich erahnen, was Oprea vor hatte. Tobias Effenberger und Tobias Klenner streiften sich ein hellblaues T-Shirt über ihr Trikot und tauschten fortan bei Ballbesitz mit Torhüter Fabian Goldfuß den Platz auf dem Feld. Dadurch standen im Angriff sieben TSV-Feldspieler und mit Klenner ein zweiter Kreisläufer zur Verfügung. Ihr Angriffsspiel war damit variantenreicher. Doch Opreas taktischer Schachzug, der ihm erst am Freitag eingefallen war und den er in dieser Saison noch nie mit seiner Mannschaft trainiert hatte, offenbarte auch Schwächen. „Wir durften uns keine technischen Fehler erlauben“, meinte der Trainer hinterher. Im ersten Durchgang klappte das Ganze nicht immer so, wie er sich das vorgestellt hatte.
Zunächst entwickelte sich ein seltsames, ein zerfahrenes Spiel. Die Gastgeber schienen den Rückstand schon im ersten Durchgang wettmachen zu wollen. Immer wieder unterliefen ihnen technische Fehler. Neun, davon zwei verworfene Siebenmeter, zählte ihr Coach vor der Pause. Und sie wirkten hektisch. Zwar stand die Abwehr der Zizishäuser gut und ihre Manndeckung gegen Fleins Rückraumhünen Fabian Göppele griff, dafür agierten sie im Spiel nach vorne viel zu ungestüm. Ein ums andere Mal musste Oprea sie zurückpfeifen und wild gestikulierend einen geordneteren Spielaufbau einfordern. „Normalerweise spielen wir immer schnell nach vorne, doch in so einem Spiel geht das nicht“, versuchte der Trainer die Spielweise seines Teams zu erklären. Dieses lag in der 5. Minute mit 1:3 hinten. Nach sieben Minuten vergab TSV-Kreisläufer Georgios Chatzigietim das 4:4 und im Gegenzug passierte es dann erstmals: Fleins Spielführer Fabian Gerstlauer konnte den Ball von hinter der Mittellinie zum 3:5 ins leere Tor werfen. „Egal“, meinte Oprea, „wir mussten volles Risiko gehen.“
Die Hausherren fanden allmählich besser in die Partie. Das 6:5 von Niklas Minsch bedeutete ihre erste Führung (10.), beim 8:6 lagen sie erstmals mit zwei Treffern vorne (13.). Fleins Trainer Andreas Bromma spürte, dass das Spiel zu kippen drohte und nahm vorsichtshalber eine Auszeit. In der redete Oprea seinen Mannen ins Gewissen. „Zwei Tore und noch 50 Minuten Zeit“, beschwor er sie, das Wunder noch vollbringen zu können. Nach 17 Zeigerumdrehungen stand es dennoch 8:8 und es blieb fortan ausgeglichen. Nachdem der TSV-Trainer dann in der 23. Minute beim Stand von 12:11 seine grüne Auszeitkarte gelegt und neue Anweisungen erteilt hatte, lief es bei den „Schnaken“ rund.
Goldfuß hielt nun, was auf seinen Kasten kam und Maximilian Baum schraubte das Ergebnis mit zwei Treffern, darunter ein Siebenmeter, auf 14:11 hoch. Dem erfolgreichsten Zizishäuser bot sich nach Ablauf der ersten Hälfte per erneutem Siebenmeter die Gelegenheit, erstmals einen Vier-Tore-Vorsprung für seine Farben herauszuwerfen. Er scheiterte aber an Fleins Torsteher Michael Bogner.
„Hätten wir unsere Chancen im ersten Durchgang reingemacht, hätten wir mit sieben oder acht Toren geführt“, ärgerte sich Oprea nach der Partie ein wenig. Nach dem Seitenwechsel bekam er dennoch ein regelrechtes Feuerwerk seiner Spieler zu sehen. Wie besessen kam seine Truppe aus der Kabine. Gerstlauer traf zwar zum 14:12 (31.), das sollte es aber zunächst von den Gästen gewesen sein. Entweder scheiterten sie in den folgenden vier Minuten an Goldfuß oder trafen Pfosten und Latte. Zizishausen zog auf 18:12 davon, ließ sich von zwei weiteren Gegentreffern nicht beeindrucken und führte in der 39. Minute 23:14. Nach 45 Zeigerumdrehungen betrug der TSV-Vorsprung erstmals zehn Tore (27:17) und in der eingangs erwähnten 46. Minute waren die „Schnaken“ beim 29:18 durch Chatzigietim ihrem Ziel einen gewaltigen Schritt näher.
Das kleine Handballwunder war erreicht, vollendet war es noch nicht. Die TSV-Fans waren nun voll da und verwandelten die Halle in ein Tollhaus. „Wirklich daran geglaubt haben wir nicht, aber auf einmal hatten wir den Rückstand aufgeholt“, sagte Maximilian Baum, der seinem Trainer kurz darauf jedoch signalisierte, platt zu sein. Ebenso wie Mathias Dreimann. „Die Bedingungen waren im Vorfeld schon alles andere als optimal“, so Oprea, dem regelrecht die Spieler auszugehen drohten. Das Spiel begann jetzt von vorne – und die Zizishäuser konnten damit nicht richtig umgehen.
Sicher auch, weil ihre Aufholjagd viel Kraft gekostet hatte. „Wir haben erst ab der 46. Minute angefangen, richtig zu verteidigen“, nannte Fleins Trainer Bromma seine Sichtweise. Ab der 47. Minute schickte er zudem seine eigentliche Nummer eins Bogner endgültig zwischen die Pfosten. Auch bei den Gastgebern stand nun wieder ständig ein Torwart im Kasten, wodurch ihre Optionen in der Offensive natürlich geringer waren. Und das merkte man deutlich. Oftmals liefen sie sich fortan fest oder fanden keine Anspielstation.
„Wir sind in der entscheidenden Phase zurückgekommen“ Fleins Spielführer Fabian Gerstlauer
Trotzdem lagen sie auch beim 30:19 noch aussichtsreich vorne (48.). Daraufhin kam aber die Wende. „Wir sind in der entscheidenden Phase zurückgekommen“, freute sich Gerstlauer. Göppele traf zum 30:20, auf der anderen Seite konnte Mark Reinl Bogner nicht überwinden. So ging es weiter. Die Gäste verkürzten, die TSVler scheiterten am TVF-Schlussmann, den sie teilweise anschossen, oder fabrizierten technische Fehler. Auf einmal stand es nur noch 30:25 (54.). Auch Opreas erneuter Versuch, per siebtem Feldspieler das Ganze zu drehen, klappte nicht und somit feierten am Ende die Gäste mit ihren gut 200 mitgereisten Fans.
Die Enttäuschung hielt sich bei den Zizishäusern aber in Grenzen. „Ich bin froh und stolz. Wir haben uns teuer verkauft“, sagte Maximilian Baum nach seinem vorerst letzten Handballspiel. Der 22-Jährige geht studienbedingt wieder zurück in die USA und wurde zusammen mit Goldfuß, der studienhalber pausiert, und Klenner (SKV Unterensingen) im Anschluss an die Partie von Abteilungsleiter Matthias Reinl verabschiedet. Auch ihre drei Neuzugänge stellten die TSVler vor. Das sind Marcel Metzger (VfL Kirchheim) sowie die beiden Torhüter Benjamin Hauptvogel (TSV Wolfschlugen) und Aladin Orlic, ein U 21-Auswahlspieler aus Bosnien-Herzegowina.
TSV Zizishausen: Goldfuß, Fromhold; Minsch (2), Hartl (3), Geißler (1), Dreimann (1), Effenberger, Reinl (6), M. Baum (12/2), Müller (1), Schorr, Chatzigietim (5/2), Klenner (2), J. Baum.
TV Flein: Nicht (47. Bogner); Gottschein (2), Gerstlauer (12/1), Göppele (6), Beil (1), Walter (3), Reber, Müller (1), Joos, Michels (1), Pytlik, Jahn (2).
Schiedsrichter: Freundt/Haug (TV Rottenburg).
Zuschauer: 600.
Zeitstrafen: Goldfuß, J. Baum, Chatzigietim – Gottschein, Pytlik, Michels, Jahn (2), Walter.
Siebenmeter: Zizishausen 6/4 (M. Baum scheitert je einmal an Nicht und Bogner) – Flein 1/1.